Von Britta Laupichler, Hundeschule Hund-aufs-Herz.
Hunde empfinden Angst und Unwohlsein, das ist bekannt und unzweifelhaft. Die Auslöser des Unwohlseins sind mannigfaltiger Art. Bei vielen Hunden ist ein Auslöser der Besuch beim Tierarzt.
Warum ist das so? Nun, weil die meisten Hunde dort schlechte Erfahrungen machen: sie werden auf dem Behandlungstisch gegen ihren Willen fest gehalten, sie werden untersucht was womöglich
unangenehm ist, sie bekommen eine Spritze … Die Aufzählung ließe sich sehr lange fortsetzen. Es ist die Unsicherheit was nun passieren wird: gibt es wieder ein tolles Leckerlie und 1x abhorchen
und fertig oder passiert doch was Schlimmeres? Unsere Hunde wissen das nicht, und dieses Nicht-Wissen schürt Unwohlsein.
Noch dazu kommt die Aufregung schon im Wartezimmer: so viele fremde Tiere und Menschen, es riecht nach Angst, Nervosität, Krankheit. Das Wartezimmer ist ja auch oft kein sehr gemütlicher Ort,
auch wenn sich mittlerweile viele Praxen bemühen, es irgendwie angenehm zu gestalten. Dennoch, es gibt dort keine weichen Körbchen, keine Kuschelecken, keine Auswahl an leckeren Kauknochen… Also
unterm Strich: der Besuch beim Tierarzt, mag er/sie noch so nett sein, ist für die meisten Hunden unangenehm.
Umso wichtiger ist es für jeden Hund, dass sein Mensch sich freundlich um ihn kümmert, auch während der Wartezeit. Und hier sind wir beim Thema: zu dem freundlichen Kümmern gehört für mich KEIN „Sitz“ und KEIN „Platz“. Warum? Ein Hund, der unsicher ist, womöglich Angst hat, hat sehr oft Probleme sich ruhig hin zu setzen oder gar ruhig hin zu legen. Er ist lieber in Bewegung (Bewegung baut Stress ab), oder zumindest bleibt er lieber stehen, auch um vor eventuell auftretenden Gefahren flüchten zu können, in diesem Fall vor der Behandlung. Speziell für junge Hunde ist ein Ruhekommando im Wartezimmer meist kaum um zu setzen. Junge Hunde sind oft sehr bewegungsfreudig, speziell in unbekannten Situationen, und dann sind da noch die ganzen anderen Hunde, Katzen, die neue Gerüche usw. Dazu kommt noch, dass der Untergrund des Wartezimmers, auf jeden Fall für ältere Hunde, oft unangenehm ist, da hart und/oder rutschig. Da legt sich kein kranker, alter Hund gerne hin.
Und doch ist eines der häufigsten Worte, die man im Wartezimmer hört, „Sitz“ oder „Platz“. Oft tun die Hunde das dann nicht, aus purem Unwohlsein, aus Angst, oft sicher auch weil sie Schmerzen haben, denn sie sind ja aus irgendeinem Grund beim Arzt. Wenn sie Pech haben, besteht der Mensch darauf und wird unfreundlich. Wie muss der Hund sich dann fühlen: er hat eh schon Angst vor der Behandlung, wahrscheinlich ist er auch krank, und dann ist sein Mensch auch noch so unfreundlich zu ihm und zwingt ihn in ein Kommando, was für den Hund in diesem Moment absolut keinen Sinn ergibt, was ihn der stressigen Situation nur noch mehr ausliefert. Da darf man sich dann nicht wundern, wenn der Hund auf keinen Fall freiwillig mit ins Behandlungszimmer geht, wenn er dann, dort angekommen, hechelnd in der Ecke steht, wenn er aus Angst uriniert, wenn er den Arzt anbellt….
Es geht auch anders! Wenn mein Hund Angst beim Tierarzt hat, dann warte ich gar nicht längere Zeit im Wartezimmer, sondern draußen im Auto oder auf einer Wiese. Das ist viel entspannter. Wenn ich doch, kurz, im Wartezimmer bin, hören meine Hunde nie ein „Sitz“ oder ein „Platz“. Sie dürfen stehen bleiben, sie dürfen ein wenig den Raum erkunden (natürlich nur wenn ausreichend freier Platz da ist), sie dürfen sich hinlegen und wieder aufstehen, sie dürfen auch zittern und winseln. Denn das alles ist ihr derzeitiger Gemütszustand und den kann man nicht durch ein Kommando verändern. Warum denn auch? Es ist doch absolut normal und auch nachvollziehbar, dass der Hund sich unwohl fühlt, weil er eben gelernt hat: jetzt kommt was nicht so tolles. Ich kann doch nicht von meinem Hund erwarten jetzt „mal ganz tapfer zu sein und sich nicht so an zustellen“. Das sind ja sowieso, in meinen Augen auf jeden Fall, absolut falsche Anforderungen – an jedes Lebewesen.
Ich streichele meine Hunde, ich nehme ihnen eine Decke zum drauflegen mit, ich gebe ihnen Leckerlis, ich bin ganz einfach für sie da, während wir im Wartezimmer warten.
Wir müssen uns nicht seltsam vorkommen, wenn wir uns um unseren besten Freund kümmern, wenn wir ihm Trost spenden und ihn unterstützen in einer für ihn schwierigen Situation. Wir selber sind doch auch froh, wenn uns jemand beisteht wenn wir Angst und Schmerzen haben und wenn wir nicht genau wissen, was nun als nächstes passiert.
Also „Sitz“ und „Platz“ sind unerwünscht im Wartezimmer, freundliche Ansprache und verständnisvolles „Da-Sein“ sind absolut erwünscht!